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Abnehmen ohne Sport: nebenbei Kalorien verbrennen mit NEAT

Titelbild Handgelenk mit Sportuhr

Sport soll ja zum Abnehmen so wichtig sein (warum das so nicht stimmt, habe ich hier schon erklärt) – aber viel wichtiger zum Abnehmen könnte NEAT sein. Aber was ist NEAT überhaupt? Und was hat das mit dem Abnehmen zu tun? Dazu hab ich in den letzten 6 Wochen meine Apple Watch fast durchgehend getragen, um das mal für euch zu tracken. Das Ergebnis hat mich selber überrascht!

Was ist NEAT?

NEAT steht für “non-exercise activity thermogenesis” – oder NEAT auf deutsch: “Aktivitätsthermogenese ohne Sport”. NEAT spricht man übrigens “Nieht” aus. “Thermogenese” heißt eigentlich “Bildung von Hitze” – und das heißt vereinfacht, dass Kalorien verbrannt werden. Es geht also um die Kalorien, die bei einer Aktivität verbrannt werden, die aber KEIN Sport ist. Und was soll das sein? Ganz einfach: Alltagsbewegung. Dazu gehört Staubsaugen genauso wie dein Fußweg zur U-Bahn oder die Schritte, die du zum und im Supermarkt gehst. Oder in der Früh vom Bett ins Bad. Und das ist gar nicht so wenig. Ich hab das mal getrackt.

Bis vor knapp zwei Monaten hatte ich noch keine Apple Watch. Aber mein Handy hat immer meine Schritte gezählt, wenn ich unterwegs war. Denn zu Hause hab ich mein Handy nicht ständig rumgeschleppt, aber sobald ich unterwegs war, war das Handy dabei.

Ich gehe recht viel zu Fuß. Mein Büro ist ca 2,6 km von meiner Wohnung entfernt und ich gehe den Weg hin und zurück zu Fuß. Im Schnitt komme ich da auf 5,2 km pro Arbeitstag – ca 4 x pro Woche. Mein Auto verwende ich maximal zwei Mal pro Woche – ich mache fast alles zu Fuß. Außerdem habe ich ein Pferd und dem latsche ich auch ständig hinterher (von der Koppel holen, Bodenarbeit, etc etc). Ich würde also sagen, dass ich vermutlich mehr zu Fuß gehe als die meisten Menschen. Trotzdem kam ich in den letzten Monaten im Schnitt nur auf weniger als 6.000 Schritte pro Tag. Während mir andere erzählt haben, dass sie locker über 10.000 Schritte pro Tag gehen, aber mit Sicherheit eigentlich weniger gehen als ich… Wie kann das sein?

Als ich dann dann meine Schritte plötzlich den ganzen Tag, also auch in der Wohnung und im Büro, mit der Uhr getrackt habe, kam die große Überraschung: schlagartig war ich auf fast 12.000 Schritten pro Tag! Das Ganze hatte sich verdoppelt! Woher kamen die Schritte? Ich hatte ja nichts geändert….

Im März (und den Monaten davor) bin ich im Schnitt knappe 6.000 Schritte gegangen:

Grafik mit roten Balken durchschnittliche Schrittanzahl pro Tag 5817

Hier sieht man gut den Durchschnitt der letzten Monate – meine Uhr hab ich Mitte April gekauft und im Mai ständig getragen. Nachdem der April ein “halb und halb” Monat ist, vergleiche ich jetzt mal März mit Mai.

Im Mai hat sich meine Schrittzahl im Vergleich fast verdoppelt – bei gleichem Sportpensum und gleicher Strecke!

Grafik mit roten Balken durchschnittliche Schrittanzahl pro Tag 11782

Woher kommen also diese 6.000 Schritte pro Tag? Sie können eigentlich nur aus dem bestehen, was ich zu Hause und im Büro tue. Die Differenz sind also die Schritte, die ich zu Hause und im Büro zurücklege.Vom Schreibtisch in die Küche, vom Bett ins Bad usw. Und das sind scheinbar nicht wenige!

Genau darum geht es bei NEAT – die kleinen (und manchmal auch größeren Bewegungen), die man so im Alltag macht. Dazu gehört auch (wird von meiner Uhr nicht gemessen…), wie schwungvoll man eine Schublade aufmacht oder ob man am Schreibtisch eher sehr still sitzt oder eher zappelig ist.

Wie viele Kalorien verbraucht NEAT?

Aber wie viel kann das pro Tag ausmachen? Unglaublich viel! Studien haben gezeigt, dass der Unterschied bis zu 2000 Kalorien pro Tag ausmachen kann! Wenn man bedenkt, dass eine durchschnittliche Frau meist weit weniger als 2000 Kalorien am Tag verbrennt, würde das bedeuten, dass sie nur über ihr Alltagsbewegung ihren Kalorienverbrauch praktisch verdoppeln könnte! Also einfach mehr Zappeln und öfter vom Wohnzimmer in die Küche gehen? 😉

Oder doch besser mehr Sport machen? Oder beides?

Der Körper wehrt sich – leider

Viele Menschen, die bei uns landen, haben schon viele Diäten hinter sich. Immer und immer wieder haben sie versucht, ihr Gewicht endlich in den Griff zu bekommen. Meistens versuchen sie das, indem sie (in irgendeiner Form) weniger essen und dabei versuchen möglichst viel Sport zu machen.

Wenn sie das dann tun, nehmen sie zwar anfangs ab, aber dann bewegt sich das Gewicht viel weniger, als es eigentlich sollte. Du sparst durch deine Ernährung mehr Kalorien ein und verbrennst mehr durch Sport als du dann wirklich abnimmst.

Eine Erklärung dafür könnte NEAT sein. Denn dein Körper wehrt sich gegen zu schlagartige und große Veränderungen. Er findet sich derzeit ziemlich gut im Gleichgewicht und jede Veränderung ist stressig – und potentiell lebensbedrohlich. Wenn also die zusätzliche Belastung (“Sport”) und der Nahrungsmangel (“Diät”) länger als ein paar Tage anhalten, versucht er gegenzusteuern. Dazu hat er verschiedene Mechanismen (das habe ich auch hier  erklärt) – und ein sehr starkes Steuerungsmittel ist eben NEAT. Wenn der Körper sehr gefordert ist (oder aus einem anderen Grund Energie sparen muss), dann bewegt er sich spontan (also ohne dass du bewusst etwas dazu tust) viel sparsamer und weniger. Ganz automatisch.

In dieser Studie hat man 3 Gruppen von übergewichtigen, postmenopausalen Frauen (also Frauen nach dem Wechsel) unterschiedlich viel Sport machen lassen: Gruppe A hat nur 4 Kalorien pro kg Körpergewicht pro Woche verbrannt (das wären also bei einer 70 kg Frau nur 280 Kalorien pro Woche – das ist gerade mal 1 h mäßig anstrengender Sport), Gruppe B doppelt so viel, nämlich 8 Kalorien und Gruppe C hat drei Mal so viel Sport gemacht und 12 Kalorien pro kg Körpergewicht pro Woche verbrannt.

Das Ergebnis nach 6 Monaten:

  • 4er Gruppe minus 1,4 kg
  • 8er Gruppe minus 2,1 kg
  • 12er Gruppe minus 1,5 kg

Gruppe A und Gruppe B haben genau so viel Gewicht verloren, wie sie an Kalorien mit dem Sport verbrannt haben (warum Sport alleine trotzdem nichts bringt, habe ich auch hier erklärt). Zur großen Überraschung hat aber Gruppe C weniger als Gruppe B und nur einen Hauch mehr als Gruppe A verloren – nämlich nur 1,5 kg im Vergleich zu 1,4 kg. Die Theorie dahinter ist folgende: wenn es “zu viel” Sport ist und der Körper (für seine jetzige Fitness) zu viel Belastung ausgesetzt ist, dann wehrt er sich dagegen und kompensiert das, in dem er anderswo weniger verbrennt – nämlich vermutlich mit NEAT.

Jemand, der sich also zu mehr Sport zwingt, weil er abnehmen möchte, bewegt sich spontan (und unbewusst) im Alltag viel weniger – und kompensiert damit das “Zuviel” an Sport. Und nimmt weniger ab.

Wir vom Faustformel System sind schon immer Fans von kleinen, schrittweisen Veränderungen. Das macht mehr Spaß und ist viel erfolgreicher – weil sich der Körper nicht dagegen wehrt.

Wenn du bisher also wenig Sport gemacht hast, dann steigere deine Aktivität nur schrittweise – und baue vor allem mehr Alltagsbewegung ein (also NEAT), indem du zB mehr zu Fuß gehst oder weniger lange sitzt.

Sport vs. NEAT – was bringt mehr?

Mal abgesehen davon, dass dein Körper automatisch gegensteuert, wenn du es mit Sport übertreibst – ich hab noch etwas anderes, ganz wichtiges von meinem Tracking Experiment gelernt, nämlich: der unanstrengende Sport ist scheinbar wichtiger als der anstrengende. Dabei geht es zwar nicht direkt um NEAT, aber ich finde es total spannend.

Lass mich das erklären.

Ich mache derzeit zwei Arten von Sport: ich gehe zwei bis drei Mal pro Woche Crossfit  – eine der anstrengendesten Sportarten, die ich kenne und je gemacht habe. Ich trainiere also mehrmals pro Woche echt hart. Daneben gehe ich reiten. Aber mein Pferd ist schon älter und daher gehe ich eigentlich nur sehr gemütlich ausreiten – so zwei Mal pro Woche. Das ist nicht sehr anstrengend für mich –  ich habe das auch schon so beschrieben: das ist, als wenn dich deine Couch spazieren trägt 😉

Wenn ich also wetten müsste, womit ich die meisten Kalorien verbrauche, dann wäre definitiv Crossfit an 1. Stelle.

Außerdem gehe ich, wie schon erwähnt, (fast) jeden Tag zu Fuß ins Büro. Ich habe mal diese Wege ins Büro als “Workout” getrackt. In dieser Übersicht siehst du also alles, was mit der App als “Sport” (nicht die Schritte zu Hause etc) getrackt wird.

Aber hier ist das überraschende Ergebnis:

Tortengrafik mit verschiedenen Sportarten

(Gehen-Indoor bezieht sich übrigens nicht auf meine Bewegung zu Hause, sondern auf Bodenarbeit mit meinem Pferd, die ich auch mal getrackt habe.)

Gehen macht fast die HÄLFTE meiner durchschnittlichen Kalorien aus, die ich mit Sport verbrenne! Dabei ist das einfach mein täglicher Weg zur Arbeit.

4 Grafiken Kalorienverbrauch für Gehen und Crossfit

Sogar an einem Tag, an dem ich zusätzlich auch noch trainieren gehen (das Studio liegt am Heimweg, daher ist hier 3 x Gehen eingetragen), macht Gehen kalorienmäßig fast gleich viel aus wie eine Stunde superanstrengendes Training:

Mit Crossfit habe ich an diesem Tag in 52 Minuten 265 Kalorien verbraucht – mit dem Weg zur und von der Arbeit 245 Kalorien.

Damit ihr mal seht, wie anstrengend Crossfit sein kann, hier ist mein Pulsprofil des Trainings:

Aufzeichnung Pulsfrequenz während einer Stunde Crossfit

Mein Durchschnittspuls liegt für die Stunde bei 134 – und maximal geht er sogar auf 181, wo er auch über einige Zeit bleibt (beim eigentlichen Workout).

Im Vergleich dazu der Weg zur Arbeit:

Aufzeichnung Puls beim Gehen

Ja, auch hier geht mein Puls sogar zwischendurch auf 129 (da sind ein paar Steigungen dabei und ich gehe eher flott) – aber im Schnitt ist mein Puls 103 und oft auch 90 oder darunter.

Auch beim Reiten (“auf der Couch spazieren getragen werden”) verbrenne ich pro Stunde mehr als 200 Aktivitätskalorien – und dabei steigt mein Puls die meiste Zeit nur recht wenig über den Ruhepuls (die Spitzen sind die Galoppstrecken 🙂 ) – Durchschnittspuls 91, über viele Strecken sogar weit darunter.

Grafik Aufzeichnung Puls beim Reiten

Spannend, oder? Natürlich ist das keine präzise Messung und ich gehe davon aus, dass diese App den Reitsport schwer überschätzt (die wissen ja nicht, dass ich nur sehr gemütlich ausreiten gehe und keine anstrengende Dressur- oder Springstunde mache) und evtl. wird Crossfit ein bisschen unterschätzt. Aber selbst wenn: meine weniger anstrengenden, geradezu gemütlichen Dinge, die ich eher als Alltagsbewegung und Hobby bezeichnen würde, machen auf jeden Fall mehr als die Hälfte der Kalorien aus, die ich durch “Sport” verbrenne.

Was ich damit sagen will: wenn du deine Aktivität steigern willst, dann ist es viel wesentlicher, was du im Alltag machst. Egal, wie super anstrengend deine Sporteinheiten sind – sie machen nie so viel aus, wie du mit ganz “normalen” und viel weniger anstrengenden Dingen verbrennen kannst. Fixiere dich also für den Anfang nicht auf ein möglichst anstrengendes Training (wenn du es übertreibst, wird dein Körper sowieso gegensteuern und dich den Rest der Zeit “fauler” werden lassen). Schau lieber, dass du deine Alltagsbewegung erhöhst, indem du mehr zu Fuß machst, nicht so lange sitzt usw. – und such dir ein Hobby, bei dem du (langsam) in Bewegung kommst und – am allerwichtigsten – das dir Spaß macht!

Eine meiner besten Freundinnen ist eine großartige Physiotherapeutin und Pilatestrainerin, die ihre Doktorarbeit darüber geschrieben hat, welches Bauchmuskeltraining am effektivsten ist (bei der Reha nach einer bestimmten Verletzung). Und wenn man sie fragt, welches der allerbeste Sport ist, sagt sie immer:

“Der beste Sport ist der, den du machst.”

Was sie damit meint: Hauptsache, du bewegst dich regelmäßig. Eine Aktivität, die vielleicht als Training weniger effektiv ist, die du aber regelmäßig machst, ist immer besser als das perfektere und härtere Training, das du aber nie machst, weil du dich jedes Mal überwinden musst. Also such dir etwas, das dir leichtfällt und im besten Fall auch Spaß macht – denn dann bleibt man auch dabei. Und wie in diesem Artikel gesehen haben, es sind die vielen kleinen Aktivitäten im Alltag, die den großen Unterschied machen, nicht, wie hart du zwei oder drei Stunden pro Woche trainierst.

Unser Fazit:

NEAT ist wichtiger als “Sport” –  und wenn du es mit Sport übertreibst, reduziert dein Körper unbewusst und ganz automatisch NEAT. Also achte vermehrt auf deine Alltagsbewegung – und gehe im Zweifel mehr zu Fuß!

 

Quellen:

Levine, J. A. (2007). Nonexercise activity thermogenesis–liberating the life-force. Journal of Internal Medicine, 262(3), 273–287. https://doi.org/10.1111/J.1365-2796.2007.01842.X

Church, T. S., Martin, C. K., Thompson, A. M., Earnest, C. P., Mikus, C. R., & Blair, S. N. (2009). Changes in Weight, Waist Circumference and Compensatory Responses with Different Doses of Exercise among Sedentary, Overweight Postmenopausal Women. PLoS ONE, 4(2). https://doi.org/10.1371/JOURNAL.PONE.0004515

6 Kommentare zu „Abnehmen ohne Sport: nebenbei Kalorien verbrennen mit NEAT“

  1. Super Erklärung! Mir ist das vor 2 Jahren bereits so richtig bewusst geworden, da ist nämlich meine Hündin aus dem Tierschutz bei mir eingezogen. Sie kannte nichts außer Naturgeräusche, weil sie in einem sehr abgelegenen Tierheim war, daher musste ich unsere Spaziergänge auf meine Hündin abstimmen und sehr langsam steigern. Zu Beginn, sind wir recht kleine Runden gegangen, die allmählich größer geworden sind. Das war scheinbar für meinen Körper das beste, was mir passieren konnte, ich habe nämlich bis auf die gemütlichen Spaziergänge nichts weiter an meiner Ernährung geändert (bin schon lange ein Fäustling). Ich konnte durch gemütliches Spazierengehen mit meiner Hündin, meine Schrittanzahl – während Corona waren die ja extrem wenig, weil wegen Homeoffice auch der Weg ins Büro wegfiel – von durchschnittlich 6.000 Schritten auf durchschnittlich 13.000 Schritte steigern und habe so im 1. Jahr 10kg abgenommen. Jetzt hab ich eine Erklärung dazu. Danke 😀

  2. Habe bis jetzt alles mögliches gelesen, mit welchen Methoden man Kalorien verbrennen soll. Von dem Begriff NEAT höre ich zum ersten Mal. Aus diesem Grund habe ich Zeit genommen und eurem Beitrag hier schon und deutlich gelesen. Muss am Ende sagen das diese Methode überhaupt nicht schlecht ist.

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